Die Burgen und ihre Bewohner
Hugo Schneider:
Der Uetliberg und der Albiskamm waren, so sollte man meinen, für den mittelalterlichen Burgenbau geradezu prädestiniert; die Sicht war weit, die steilen Hänge boten mit wenigen künstlichen Hilfen hohen Schutz. Sucht man jedoch nach Burgstellen, so sind es nur gerade deren sechs, welche einst diesen Höhenzug oder einzelne seiner Seitengrate dominierten: Baldern, Friesenberg, Manegg, Schnabelburg, Sellenbüren und die Uetliburg. Ist es ein Zufall, dass man nur über eine, die Schnabelburg, auf der einst ein bedeutendes hochadeliges Geschlecht hauste, einigermassen gut orientiert ist, und dass die andern, wie die Uetliburg und die Baldern, entweder von Legenden umwoben oder, wie die Manegg, durch die Zürcher Novelle Gottfried Kellers «Der Narr auf Manegg» bekannt geworden sind? Für die beiden verbleibenden, die Friesenberg und die Sellenbüren, stehen nur wenige schriftliche Quellen zur Verfügung.
Es ist auf jeden Fall erstaunlich, dass diese Burgen quellenmässig dermassen schlecht zu erfassen sind. Das genaue Gründungsdatum ist bei keiner bekannt, der Abgang nur bei zweien. Es ist deshalb schon oft über dies Burgen gerätselt worden. Auch der Spaten ist schon verschiedentlich zu Hilfe genommen worden, bei der Schnabelburg vier-, bei der Uetliburg mindestens zwei-, bei der Friesenberg und der Sellenbüren je einmal. Über die Resultate und über die daraus zu erkennenden Zusammenhänge mit den schriftliche Quellen wollen wir versuchen, einen Überblick und gleichzeitig neue Denkanstösse zu geben. Da Burgstellen archäologische Fundgruben darstellen, jedoch erst dann lebendig werden, wenn die Menschen, welche sie bewohnten, mit ihnen in Beziehung gebracht werden, haben wir uns zu einer Zweiteilung der Arbeit entschlossen. Im ersten Abschnitt wird der archäologische Bestand erhellt. Der zweite befasst sich mit den Besitzern und Bewohnern und dem Schicksal der Anlagen.
Der archäologische und topographische Befund
Auf dem von herrlichen Wäldern begleiteten Albiskamm, eine halbe Stunde südlich vom heutigen Albispass, erhebt sich eine kleine Kuppe, der «Schnabel». In der Fortsetzung des Grats fällt sie im Süden steil in die um rund 60 Meter tiefer gelegene Schnabellücke ab. Hier stand einst das feste Haus der Freiherren von Eschenbach-Schnabelburg.
1870, 1899 und 1914 waren Untersuchungen auf der Burgstelle durchgeführt worden. 1955 unternahm das Schweizerische Landesmuseum eine erneute Nachgrabung. Im allgemeinen ist das äusserst undankbar, weil ja jede Spatenarbeit auch gleichzeitig Zerstörung des Urbestands bedeutet und weil erst bei einer erneuten Überprüfung festzustellen ist, wo es sich um Altbestand und wo um Umschichtung oder Abraum handelt. So war es denn auch bei der Schnabelburg, und der Burgengrundriss, der bei der zweiten Grabung von 1899 freigelegt wurde, musste bei der Schürfung von 1955 in wesentlichen Teilen korrigiert und erweitert werden. Der ergrabene Bestand ist konserviert worden und kann heute besichtigt werden.
Eindeutig feststellbar waren und sind von der Anlage noch die Fundamente eines Bergfrieds von 8 x 6,5 Meter in der Nordwestecke der Kuppe. Eine Ringmauer umschliesst ein zugehöriges Areal von ungefähr 35 Metern Länge und 20 Metern maximaler Breite. Die Mauerstärke ist im allgemeinen gering gehalten. Sie liegt durchschnittlich bei einem knappen Meter. Die Steilheit des Geländes erlaubte die verhältnismässig leichte Bauart.
Sie erforderte aber auch nicht unbedeutende Substruktionen. Diese sind teilweise noch unterhalb der Westflanke des Bergfrieds erkennbar. Um der Ringmauer Halt zu geben und sie vor dem Abgleiten und allfälliger Untergrabung zu schützen, wurde sie durchgehend auf eine im Abhang ausgeschnittene Fundamentbank aufgesetzt und an verschiedenen Stellen durch ein Vorfundament verstärkt. Der Bergfried seinerseits war direkt auf die anstehende Nagelfluhbank aufgesetzt. Innerhalb des Berings haben sich Fundamente verschiedener Bauten erhalten. Sie sind in ganz bescheidene Fundamentgruben eingesetzt, was zeigt, dass es sich wohl nur um steinerne Unterbauten von Holzgebäuden handelte. Die Fundierung war zum Teil dermassen schlecht, dass ein Mauerstück im Lauf der Jahrhunderte abglitt und erst an der westlichen Ringmauer zum Stillstand kam.
In der Hofmitte steht noch ein Mauerviereck von 2,8 Metern äusserer Länge und 1,1 Metern innerer Weite. 1899 sprach Zeller-Werdmüller diese Baute noch als Fundament eines kleinen Turms an. Heute sind wir der Meinung, es seien die Reste eines zentralen Backofens.
Prinzipiell wurde bei der Schnabelburg wie bei allen Steinbauten das System von Mantelmauern angewandt. Zwischen zwei wohlgefügte Steinmäntel kam eine losere, nur mit wenig Mörtel durchsetzte Füllmasse, der Kern. Man bediente sich vorwiegend der in der Sihl liegenden Bollensteine. Aber auch gebrochene Tuffe, Sandsteine und direkt am Burghügel abgesprengte Nagelfluhbrocken fanden sich da und dort. Die Überprüfung des gesamten, noch in der ursprünglichen Lage vorgefundenen Mauerwerks zeigte, dass von behauenen Steinen im eigentlichen Sinn kaum gesprochen werden kann. Kantenbeschlag oder Buckelquader, wie sie unter anderem in Alt-Regensberg, Greifensee, Schwanau, Wädenswil, Hegi und Kyburg anzutreffen und für die Datierung einer Anlage von grosser Bedeutung sind, finden wir auf der Schnabelburg nur angedeutet. Was sich aus der Umgebung an Steinen aller Grösse und Art heranschleppen liess, wurde bei diesem Wehrbau verwendet. Lediglich allzu grosse Unebenheiten suchte man durch einfaches Abschlagen der vorspringenden Ecken, Kanten und Buckel etwas auszugleichen. Sonst handelte es sich um eine äusserst grobe und unausgeglichene Arbeit. Da keine verschiedenartigen Mauertypen vorhanden sind und auch keine Überschneidungen von Mauerzügen vorkommen, darf man mit guter Überzeugung annehmen, dass die Burg in verhältnismässig kurzer Zeit in einem Zug errichtet wurde. Anfänglich war wohl eine imposant Wehranlage geplant, wie wir aus den Untersuchungen der Nordwestecke schliessen dürfen. Allein, es scheint, dass man vielleicht aus Zeitgründen noch während des Baus zu einer einfacheren Gestaltung überging.
Von entscheidender Bedeutung war bei jeder Burg der Zugang. Graben und Wall dienten von jeher zum besseren Schutz. Diese Verstärkung erreichte man durch weitere Vertiefung der natürlichen Halsgräben im Westen und Norden. Über den ganzen einstigen Aufgang zur Burg konnte keine absolute Klärung erzielt werden. Hingegen steht seit 1955, im Gegensatz zur Annahme früherer Ausgräber fest, dass der Zugang nicht im Osten, sonder im Westen durch die Ringmauer führte. Hier war die dazu nötige Lücke in der Mauer. Es handelt sich dabei nicht etwa um einen späteren Ausbruch, denn die Mauerenden sind zueinander versetzt.
Aus Geld- und Zeitmangel konnte die Anlage nicht vollständig ausgegraben werden. Der Weg ist nicht völlig geklärt, die schon von Zeller-Werdmüller genannte und als Gleitbahn gedeutete Rinne, welche gegen das Reppischtal hinunterführt, und die Halsgräben mussten unberührt bleiben. Man erforschte also lediglich das oberste Plateau mit den unmittelbaren Flanken. Unbeantwortet bis heute bleibt auch die Frage nach der Wasserversorgung. Bei keiner Untersuchung konnten Hinweise auf eine Zisterne oder einen Sodbrunnen gefunden werden. Eine mittelalterliche Wehranlage ohne Wasser war praktisch wehrlos, weil sie bei einer Belagerung innert weniger Tage zur Übergabe gezwungen werden konnte. Vielleicht gelingt es künftigen Forschern mit verfeinerten Methoden und grösseren finanziellen Mitteln dieses Problem zu lösen.
Friesenberg:
Zwischen den Resten des Wehrturms rechts und Gebäuderesten links ein rekonstruierter Durchgang. Grabung und Restaurierung 1925-1930
Uetliburg:
Röhren- und Becherkacheln von 1200. Sie wurden mit der Öffnung nach aussen, zur Vergrösserung der Wärmeabgabe in den Kuppelofen eingesetzt.
(Teilauszug: Die Burgen und ihre Bewohner)
Literaturhinweise:
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- Hugo Schneider:Autor
- Jos. Murer (1566): Zürcher Kantonskarte, Ausschnitt mit den Burgstellen Friesenberg, Uetliburg, Baldern, Manegg, Sellenbüren.
Wir danken dem Orell Füssli Verlag, Zürich für die Erlaubnis zur Veröffentlichung im Internet. Die Beiträge sind in gekürzter Fassung wiedergegeben. Für die vollständigen Beiträge verweisen wir auf das Buch «Der Uetliberg », erschienen im Orell Füssli Verlag, Zürich. Copyright © 1984 by Orell Füssli Verlag, Zürich. Alle Rechte vorbehalten.
Bildnachweis:
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- E.Baumann
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- Willy Furter
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- Laszlo Irmes
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- Max Pichler
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- Schweizerisches Landesmuseum
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- Stiftung f. d. Erforschung des Uetlibergs
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- Swissair Photo + Vermessungen AG
- Sihltal Zürich Uetliberg Bahn SZU