Spurensuche in der Vergangenheit – eine archäologisch-kulturgeschichtliche Wanderung vom Bahnhof Ringlikon auf den Uto-Kulm
Die Führung für den Uetliberg-Verein unter der Leitung von Dr. Patrick Nagy (Kantonsarchäologie Zürich) erfolgte am 21. September 2024. Sie begann bei der Bahnstation in Ringlikon und führte in rund 2 Stunden mit verschiedenen Informationshalten auf den Uto-Kulm.
Nach einer kurzen Einführung in die Topografie, Landschafts-, Siedlungs- und Forschungsgeschichte starteten rund 14 Mitglieder des Uetliberg-Vereins bei den eiszeitlichen Findlingen, die in den 1990er Jahren in einer Baugrube in Uitikon, Areal Mangoldwis, zum Vorschein gekommen waren und damals bei der Bahnstation platziert wurden – leider sind die Beschriftungen der einzelnen Steine nie angebracht worden. Die Findlinge stammen aus der Zeit der letzten Vergletscherung (vor ca. 20’000 Jahren) und wurden vom Linth-/Rheingletscher hierher transportiert und abgelagert.
Die Geschichte des Uetlibergs beginnt natürlich schon viel früher, wie die mancherorts (z.B. bei der Fallätsche) noch sichtbaren Sandstein-, Mergel- und Nagelfluhschichten bezeugen. Die rund 750 m mächtigen Ablagerungen der Oberen Süsswassermolasse entstanden vor ca. 16–13 Millionen Jahren. Es sind Ablagerungen, die von Gebirgsflüssen in einer den Alpen vorgelagerten Ebene geschüttet wurden. Pflanzen- und Knochenreste geben uns wichtige Hinweise zum damaligen Klima und Aussehen der Landschaft. Unter den Tierresten ist der Unterkiefer eines Palaeomeryx, eines wiederkäuenden Paarhufers (gefunden bei der Fallätsche), der zwischen den Hirschen und Giraffen einzuordnen ist oder auch der Schildkrötenpanzer vom Buechhoger besonders hervorzuheben.
Die ältesten menschlichen Hinterlassenschaften vom Uetliberg sind viel, viel jünger. Sie stammen vom Uto-Kulm und datieren in die Jungsteinzeit (5’500–2’200 v. Chr.). Das ist jene Zeitperiode, als Ackerbauern und Viehzüchter ihre ersten «Pfahlbau-Siedlungen» entlang des Zürichsees errichteten.
Bei einem kurzen Halt auf dem Aegertenweg, wenig unterhalb der Uetlibergbahnlinie, konnten die Teilnehmenden die eindrücklichen Überreste eines mächtigen Wall-Grabensystems betrachten, der sich über eine Länge von rund 850 m bogenförmig von den Steilhängen Richtung Zürich zu den Steilhängen Richtung Reppischtal erstreckt und eine Fläche von rund 0.5 km² bis hinauf zum Uto-Kulm sichert. Diese Befestigungsanlage entstand in der Eisenzeit um ca. 700 v. Chr.
Vom Jurablick öffnet sich den Teilnehmenden ein wunderschöner Blick Richtung Knonauer Amt sowie in die Alpen und lässt die verkehrsgeschichtliche Bedeutung des Zürcher Hausberges erahnen. An manchen Orten auf dem Uetliberg, v.a. zwischen Albisrieden und Birmensdorf, finden sich gut erhaltene Spuren alter Wege (Hohlwege), die einst das Limmattal und Zürich mit dem Knonauer Amt verbanden. Sie sind Teile bedeutender Handelswege von Mitteleuropa über die Alpen nach Süden.
Ganz in der Nähe des Jurablicks befindet sich ein Bunker aus der Zeit des 2. Weltkrieges, als auf den Uetliberg zahlreiche militärischen Anlagen als Teil der Befestigungslinie zwischen Sargans und dem Gempenplateau bei Basel errichtet wurden.
Dass der Üetliberg in allen Zeiten eine wichtige militärisch-strategische Bedeutung hatte, belegen nicht nur die prähistorischen Wälle und Gräben sowie die Stellungen aus dem 2. Weltkrieg, sondern auch die verschiedenen Burgen im näheren und weiteren Umfeld (Sellenbüren, Uetliburg, Friesenburg, Baldern, Manegg und Schnabelburg), die heute nicht mehr erhaltene Hochwacht auf dem Uto-Kulm (17. Jh.) oder die Spuren von Befestigungen und Lagerplätzen aus der Zeit zwischen der 1. und 2. Schlacht von Zürich im Jahre 1799, als sich französische Truppen zeitweise hier verschanzt hatten.
Auf halbem Weg zwischen Jurablick und der Bergstation der Uetlibergbahn, auf einem markanten Sporn über dem Reppischtal mit weitem Blick ins Knonauer Amt und Richtung Alpen, befindet sich der 1908 entdeckte Grabhügel vom Sunnenbüel. Eine Ausgrabung im Jahre 1979 erbrachte eine leider schon antik ausgeraubte, 3.4 x 3.1 m grosse Zentralgrabkammer. In der umliegenden Hügelschüttung fanden sich einige bedeutende Funde: Zwei goldene, floral verzierte Scheibenfibeln (Fibeln = Kleiderverschlüsse), eine kleine, ornamental verzierte Goldrosette (wohl Teil eines Trinkhornes), eine bronzene Gürtelkette sowie eine weitere Bronzefibel. Diese Gegenstände, typische Trachtbestandteile einer Frau, datieren um 450/400 v. Chr. und stammen wohl aus einer oder mehreren zerstörten Nachbestattungen.
Weitere zeitgleiche Gräber, aufgrund der Waffen (z.B. Eisenschwerter) aber als Männergräber anzusprechen, wurden 1874 beim Bau der Bahnendstation am Fuß der Hauptwallanlage entdeckt. In diesem Fall handelt es sich um Flachgräber.
Ganz in der Nähe der Bergstation wurde 2014 bei Begehungen in Zusammenhang mit einem Bauprojekt in einer leichten Hanglage ein mysteriöses, nicht näher identifizierbares Fundobjekt aus Buntmetall entdeckt, das 2017 als Block geborgen werden konnte. Bei der Restaurierung wurden zwei bronzene Perlrandbuckelschalen sowie ein Kettenverteiler freigelegt, wohl die Überreste eines eisenzeitlichen Wagengrabes.
Unmittelbar oberhalb der Endstation der Uetlibergbahn befindet sich der eindrückliche, in der Bronzezeit entstandene und in der nachfolgenden Eisenzeit überprägte sog. «Hauptwall», der die nachfolgende Aegertenterrasse (mit dem Fernsehturm) sowie den Uto-Kulm sichert. Über die frühere Nutzung der Aegertenterrasse ist nur wenig bekannt, da im 19. Jh. das Areal durch den Bau des Grand-Hotel mit grossartiger Parkanlage grossflächig überbaut wurde und damals keine archäologischen Untersuchungen erfolgten.
Mit der Eröffnung der Uetlibergbahn und des Grand-Hotel im Jahre 1875, dem Ausbau des Gasthauses auf dem Uto-Kulm und der nahe gelegenen Annaburg war der Zürcher Hausberg für den Tourismus international erschlossen. Die goldenen Jahre des Grand-Hotel endeten mit dem 1. Weltkrieg.
Beim letzten Anstieg auf den Uto-Kulm durchquert man das «Innere Wallsystem», eine Befestigung bestehend aus mehreren Wällen und Gräben, die mit dem Bau der ersten Üetliburg im Mittelalter (10. Jh.) entstanden sein dürfte.
Endlich ist man auf dem Uto-Kulm angelangt. Das kleine Plateau wurde ab dem 4. Jahrtausend vor Christus von Menschen immer wieder begangen und besiedelt. In der Spätbronzezeit (um 1000 v. Chr.) befand sich hier erstmals eine grössere Siedlung, in der Eisenzeit sogar ein bedeutender Fürstensitz. Tongefässfragmente aus jener Zeit (z.B. Fragmente eines attischen Weinmischgefässes) belegen Handelskontakte bis ins Mittelmeergebiet.
In der späteisenzeitlichen Siedlung (2./1. Jh. v. Chr.) wurden auf dem Uto-Kulm von den damals hier lebenden Kelten (Helvetier, Tiguriner u.a.) Münzen hergestellt, wie das Fragment einer Tüpfelplatte belegt (Tüpfelplatten sind flache Keramikobjekte mit regelmässigen, etwa fingerbeerengrossen Vertiefungen, die von den Kelten zur Herstellung von Geld verwendet wurden).
Von Bauten römischer Zeit haben sich nur Ziegel, Heizröhrenfragmente, Keramik und Kleinfunde (z.B. Münzen) erhalten.
Die erste Üetliburg wurde im 10. Jh. n. Chr. errichtet. Die Überreste der heute noch erhaltenen Ringmauer datieren allerdings erst in die 2. Hälfte des 12. Jh. Ob diese Anlage tatsächlich im Jahre 1267 im Rahmen der «Regensberger Fehde» zerstört worden ist, wird heute aus archäologischer Sicht stark in Zweifel gezogen.
Zum Abschluss konnten die «Spurensuchenden» einen Apéro geniessen und über die interessanten Ausführungen von Patrick Nagy diskutieren.